Maniac Mansion


von Chancell
12.12.2001

1987 kreierte der ehemalige C64-Entwickler Ron Gilbert ein neuartiges Verfahren zur Strukturierung der damals enorm populären Grafik-Adventures, welches weltweit erfolgreich war und oft kopiert wurde: Die SCUMM-Engine (SCUMM = "Story Creating Utility for Maniac Mansion"). Bis dato beherrschten nur Infocom's Textadventures (Zork) und Sierra's Grafik-Textabenteuer (Leisure Suit Larry) den Markt der interaktiven Abenteuerspiele. Das neuartige Spielverfahren stieß bei den Fans auf ein herzliches Entgegenkommen. Aus einfachen kleinen Wortkonstruktionen stellte man sich durch einfaches Anklicken kleine Befehle zusammen, welche der Protagonist aus Bits & Bytes auf dem Screen dann in die Tat umsetzte. Zum Beispiel geht man mit dem Cursor auf das Verb "Benutze", klickt dann im Inventar auf den "Hamster" und verwendet ihn durch einfaches Anklicken im Hauptbildschirm mit der Mikrowelle. Der Einfachheit und Effektivität halber war dem neuartigen Spielverfahren der Erfolg auch nicht vergönnt.

Das PC-Original von Maniac Mansion erschien bereits 1987 für die etablierten IBM- und Heincomputer, für die NES-Umsetzung des Adventure-Hits zeigte sich 1991 Jaleco verantwortlich. In den USA konnten die Fans sich sogar an einer eigenen TV-Serie zum Spiel erfreuen, welche aber wegen schlechter Quoten wieder abgesetzt wurde. Ron Gilbert sorgte im Nachhinein mit der PC Kult-Reihe "Monkey Island" international für Aufsehen. Zur Story: Vor Jahren schlug ein mit mysteriösen Kräften ausgestatteter Meteorit in den Vorgarten des großangelegten Herrenhauses der Familie Edison ein. Gedankenmanipulierend unterjochte das radioaktive Gestein geschickt das Oberhaupt der Familie: Dr. Fred! Geistig vernebelt kidnappt der einst angesehene Doktor die Strandschönheit Sandy um ihr Gehirn für grausige Forschungen zu verwenden. Kurz entschlossen organisiert Sandys Liebhaber Dave eine Rettungsaktion mit einigen guten Klassenkameraden. Darunter Wendy, welche eine Karriere als Schriftstellerin anstrebt, oder Razor, Sängerin der Punk-Band "Razor and the Scummettes". Insgesamt kann sich der Spieler am Anfang des Spiels für zwei der sieben mehr oder weniger schrägen Typen entscheiden, die Dave im Spiel unterstützen sollen. Schließlich ausgestattet mit einer Party von drei Leuten macht man sich auf, um die verkommene Residenz zu untersuchen. Dabei ist es nicht selten, dass der Spieler auf Skurrilitäten, wie beispielweise einer Mumie unter der Dusche stößt. Die Rätsel halten sich zwar größtenteils auf einem nachvollziehbaren Niveau, doch erfordern einige extrem knackige Vertreter auch ganz schön Gehirnschmalz.

Im ganzen Spiel hält man sich fast immer im Bereich des Hauses auf und achtet dabei stetig, nicht von den unfreundlichen Bewohnern entdeckt zu werden. Beim Lösen der verschiedenen Rätsel muss man gezielt zwischen den drei Spielfiguren hin- und herschalten. Im Keller der Villa befindet sich ein düstere Verlies, aus dem sich aber alle Kids per Teamwork wieder befreien können. Es gibt je nach anfänglicher Charakterauswahl mehrere Möglichkeiten in den Genuss des Abspanns zu kommen, wobei gerade dieser Punkt dem Spiel einen ungeheuren Motivationsfaktor zuspricht. So gibt es je nach Wahl unterschiedliche Möglichkeiten die Pläne vom manipulierten Dr. Fred zu vereiteln: In dem einen Fall alarmiert ihr per Funkgerät die Weltraumpolizei, während man sich andernfalls hingegen um einen Plattenvertrag für ein melancholisches Tentakel Gedanken machen muss. Besonders die unzähligen witzigen Anspielungen und der hintergründige Humor verleihen dem Spiel eine ganz besondere Note, wie man sie in noch keinem anderen Abenteuerspiel zuvor kennen gelernt hat. Man trägt während des gesamten Spielverlaufs eine ganze Reihe an Gegenständen umher. Außerdem verfügt jede Figur über einen spielinternen CD-Player mit welchem sich die entsprechende persönliche Hintergrundmusik genießen lässt. Besonders hervorgehoben werden im Spielverlauf die Charaktereigenschaften der jeweiligen Person: Bernhard, Präsident des örtlichen Physikclubs, hat zum Beispiel durch seine Fähigkeiten enorme Vorteile im Spiel die Weltraumpolizei zu erreichen. Hingegen ist der blonde Syd musikalisch sehr talentiert und hat somit den Vorteil, als Partner für Plattenverträge sehr behilflich zu sein.

Grafisch spielt Maniac Mansion in der oberen Liga: Trotz etwas störrisch wirkenden Animationsphasen überzeugt das Spiel durch überdurchschnittlich detaillierte Hintergründe und toll gestalteten Figuren. Zum Teil scrollt das Bild aber leider ein wenig hölzern ins nächste Bild. Die originale Maussteuerung wurde hervorragend an den NES Controller angeglichen: Der Zeiger bewegt sich in einer soliden Geschwindigkeit über den Bildschirm und auch in Eile lässt sich so der Spielverlauf gut koordinieren. Akustisch bekommt man feinste Kompositionen auf die Ohren - mit einem charakteristischen Soundtrack und toll eingespielten Musikstücken hinterlässt das Spiel einen besonderen Eindruck und hebt sich zusätzlich vom alten Original ab.

Fazit: Mit Maniac Mansion begann gegen Ende der 80er Jahre für das George Lucas Unternehmen eine komplett neue Zeitrechnung! Da ich persönlich ein großer Fan der Lucas Arts Adventures bin, achtete ich bei diesem Test natürlich besonders darauf, eine möglichst objektive Wertung abzugeben. Zwar kommt Maniac Mansion von der Qualität her nicht an nachfolgende Spiele á la Monkey Island heran, doch stellt es auf dem NES neben "Shadowgate" zweifelsohne die absolute Genre-Referenz dar. Neben dem innovativen Spielsystem stieg das Spiel in der Adventure-Szene besonders durch den abgrundtief schrägen Humor in der Gunst der Spieler auf. Spätestens nach dem Spielen von Maniac Mansion stellt ihr euch die Frage, warum fleischfressende Pflanzen eine Vorliebe für Pepsi-Cola entwickelt haben oder warum Radioaktivität für eine blaue Hautfarbe sorgt. Insgesamt stellt das Modul für alle Adventure-Freunde einen absoluten Pflichtkauf dar, sofern sie das Modul nicht eh schon besitzen sollten.


Wertung


9/10

Kommentare



Chancell
Respekt! Akustisch Geschmacksfrage, inhaltlich eindeutig: Maniac Mansion stellt neben einem innovativen, auf einem grafischen Interface-basierenden Genre-Revoluzzer die wohl amüsanteste Symbiose zwischen gekonnt gestrickter, selbstironietriefender Storyline und hervorragendem Spielfluss dar. Persönlich verbindet mich viel mit den Adventure-Klassikern von Lucas-Arts, daher erscheint diese Meinung ein wenig voreingenommen, dennoch: Professoren mit Welteroberungsambitionen, Teenies auf Mädchenrettung und ein dunkles Herrenhaus voller extraterrestrischem Gesocks stellen ein oft wiederkehrendes Motiv in der amerikanischen Filmgeschichte dar, daher lässt sich ein gewissen Publikumsinteresse nicht bestreiten. Jene Themen komprimiert in 8-Bit-Grafik auf einem NES-Modul sind in diesem Fall nur mit einer Aufforderung gleichzusetzen: Kaufen! Sofort! ;)



Yamato
Maniac Mansion rules! Damals gehörte der Titel zwar zu meinen ersten IBM-PC-Spielen, doch auch die später erschienene NES-Version vermochte es, mich in den Bann gezogen. Es ist unglaublich spannend, das riesige Anwesen - begleitet von der akuten Angst, entdeckt zu werde - zu erkunden. Außerdem hat mir an Maniac Manion besonders der Humor gefallen, denn von diese ganzen schrägen Typen muss man einfach begeistert sein: Da beschwert sich Dr. Fred angesichts eines Stromausfalls über den Atom-Reaktor "Wie soll man mit solch billiger Ausrüstung auch die Welt erobern?" Lediglich die musikalische Untermalung finde ich persönlich nur teilweise gelungen. Abhängig von der Spielfigur schmerzen die Klänge auf Dauer in den Ohren. Dennoch ist Maniac Mansion natürlich ein waschechtes Stück Videospielgeschichte und der Genre-Klassiker schlechthin.